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Kein Lohn mehr am ersten Tag einer Erkrankung?
In Deutschland erhalten krankgeschriebene Arbeitnehmer weiterhin ihr Gehalt ab dem ersten Krankheitstag. Allianz-Chef Oliver Bäte fordert nun angesichts des hohen Krankenstands die Einführung eines sogenannten Karenztages, was eine kontroverse Diskussion auslöst. Sein Vorschlag, den er in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ äußerte, sieht vor, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag abzuschaffen. Damit wurde eine Debatte losgetreten, die noch weite Kreise ziehen wird, gilt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ab dem ersten Tag als eine der Errungenschaften in der Sozialpolitik.
Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro jährlich?
Bäte argumentiert, dass Arbeitnehmer die Kosten des ersten Krankheitstags selbst tragen sollten, um die Arbeitgeber finanziell zu entlasten. In Deutschland besteht seit Jahrzehnten die Regelung, dass Arbeitnehmer ab dem ersten Krankheitstag Anspruch auf Lohnfortzahlung haben – eine Praxis, die in den 1970er-Jahren eingeführt wurde. Länder wie Schweden, Spanien oder Griechenland, die Karenztage praktizieren, dienen Bäte als Vorbilder. Unterstützung für die Wiedereinführung eines Karenztages kommt auch von Monika Schnitzer, der Vorsitzenden des Sachverständigenrats der Bundesregierung.
Der Allianz-Chef sieht im hohen Krankenstand ein erhebliches Kostenproblem. Laut Bäte sind Arbeitnehmer in Deutschland durchschnittlich 20 Tage pro Jahr krankgemeldet, während der EU-Durchschnitt bei lediglich acht Tagen liegt. Arbeitgeber in Deutschland zahlen jährlich rund 77 Milliarden Euro an Gehältern für krankgeschriebene Mitarbeiter. Hinzu kommen 19 Milliarden Euro von den Krankenkassen, was etwa sechs Prozent der gesamten Sozialausgaben ausmacht. Mit einem Karenztag könnten laut Bäte bis zu 40 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.
Unterschiedliche Zahlen zu Krankentagen
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Arbeitnehmer in Deutschland 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. Die DAK-Gesundheit gibt für das gleiche Jahr einen höheren Durchschnitt von 20 Krankheitstagen pro Person an, während die Techniker Krankenkasse 17,7 Fehltage meldet. Zudem zeigt die DAK-Statistik, dass über die Hälfte ihrer Versicherten im Jahr 2023 mindestens einmal krankgeschrieben war.
Die Debatte um den Karenztag bleibt kontrovers: Während Kritiker soziale Härten und mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer befürchten, sehen Befürworter Einsparpotenziale und eine Entlastung der Arbeitgeber.
Ein historischer Blick auf die Lohnforzahlung
Die Geschichte der Lohnfortzahlung beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einer Zeit des industriellen Wandels. Mit der Industrialisierung wuchs die Zahl der Fabrikarbeiter, die unter oft harten und unsicheren Arbeitsbedingungen lebten. Krankheit bedeutete für viele Arbeiter nicht nur gesundheitliche, sondern auch finanzielle Not, da es keine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber gab, den Lohn während einer Krankheit weiterzuzahlen.
Erste Ansätze zur Absicherung von Arbeitnehmern kamen in Form von Betriebskrankenkassen auf, die von fortschrittlichen Unternehmen eingeführt wurden. Diese Kassen boten eine rudimentäre Unterstützung im Krankheitsfall, jedoch ohne gesetzliche Grundlage oder flächendeckende Regelung. Eine zentrale Rolle spielte hier die Einführung der Sozialgesetzgebung unter Reichskanzler Otto von Bismarck. Mit dem Krankenversicherungsgesetz von 1883 wurde erstmals ein verpflichtendes System geschaffen, das Arbeitnehmer im Krankheitsfall finanziell unterstützte. Diese Versicherung zahlte jedoch nur Krankengeld und keine volle Lohnfortzahlung.
Entwicklungen in der Weimarer Republik
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Gründung der Weimarer Republik stand Deutschland vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. In dieser Zeit wurden verschiedene arbeitsrechtliche Schutzmechanismen weiterentwickelt. Die Gewerkschaften setzten sich verstärkt für die Rechte der Arbeitnehmer ein, darunter auch für eine bessere Absicherung im Krankheitsfall.
In den 1920er Jahren wurden erste Tarifverträge abgeschlossen, die eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall regelten. Diese Vereinbarungen galten jedoch nur für bestimmte Branchen und waren stark von der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften abhängig. Eine allgemeine gesetzliche Regelung blieb aus, und die wirtschaftlichen Krisen der späten 1920er und frühen 1930er Jahre erschwerten die Situation zusätzlich.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Während der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 bis 1945 wurden viele soziale Errungenschaften der Weimarer Republik eingeschränkt oder in das System der nationalsozialistischen Ideologie integriert. Zwar blieb die Krankenversicherung bestehen, doch die Rechte der Arbeitnehmer wurden stark beschnitten. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall war weiterhin nicht gesetzlich geregelt und blieb auf freiwillige oder tarifvertragliche Regelungen beschränkt. Die Priorität lag auf der Mobilisierung der Arbeitskraft für die Kriegswirtschaft, und soziale Fragen traten in den Hintergrund.
Die Nachkriegszeit und der Weg zur gesetzlichen Regelung
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Deutschland vor dem Wiederaufbau von Wirtschaft und Gesellschaft. In den 1950er Jahren erlebte die Bundesrepublik ein wirtschaftliches "Wirtschaftswunder", das auch zu einer Stärkung der Arbeitnehmerrechte führte. Die Gewerkschaften forderten eine gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, um eine einheitliche und verbindliche Absicherung für alle Arbeitnehmer zu schaffen.
Ein wichtiger Meilenstein war die Einführung des Entgeltfortzahlungsgesetzes im Jahr 1957. Dieses Gesetz verpflichtete Arbeitgeber erstmals dazu, den Lohn für eine begrenzte Zeit weiterzuzahlen, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Die Regelung galt zunächst nur für Arbeiter, nicht jedoch für Angestellte, die bereits durch separate tarifvertragliche Regelungen besser abgesichert waren. Die Dauer der Lohnfortzahlung war auf sechs Wochen begrenzt, ein Prinzip, das bis heute Bestand hat.
Erweiterungen und Anpassungen in den 1970er Jahren
In den 1970er Jahren erlebte Deutschland eine Phase intensiver sozialpolitischer Reformen. Unter der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP wurden zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Sicherheit umgesetzt. Im Jahr 1970 wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf alle Arbeitnehmer ausgeweitet, unabhängig von ihrem Status als Arbeiter oder Angestellte. Dies stellte einen wichtigen Schritt zur Gleichbehandlung dar und beseitigte eine lange bestehende Ungleichheit.
Gleichzeitig wurden die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt, indem das Entgeltfortzahlungsgesetz klarere Regelungen zu den Voraussetzungen und dem Ablauf der Lohnfortzahlung schuf. Die Dauer von sechs Wochen blieb bestehen, doch die Definition von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit wurde präzisiert, um Missbrauch zu verhindern und Rechtssicherheit zu schaffen.
Herausforderungen und Reformen seit den 1990er Jahren
Die 1990er Jahre brachten neue Herausforderungen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 führte dazu, dass das westdeutsche Sozialversicherungssystem auf die neuen Bundesländer übertragen wurde. Dies bedeutete eine erhebliche finanzielle Belastung für die Sozialversicherungen und die Arbeitgeber. Gleichzeitig stieg der Druck auf den Arbeitsmarkt durch Globalisierung und technologischen Wandel.
1996 wurde die gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung reformiert, um die Kosten für Arbeitgeber zu senken. Die Entgeltfortzahlung wurde von 100 % auf 80 % des Bruttolohns reduziert. Diese Änderung stieß jedoch auf massive Kritik seitens der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer. Nach heftigen Protesten und einer breiten gesellschaftlichen Debatte wurde die Regelung 1999 wieder rückgängig gemacht, und die volle Lohnfortzahlung wurde erneut eingeführt.
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